Ein Junge namens Laika
Der schwedische Regisseur Lasse Hallström hat uns magische und großartige Geschenke auf die Leinwand gezaubert. Unvergessen und intensiv sind seine grandiosen Filme wie „Gilbert Grape – Irgendwo in Iowa“ oder etwa „Gottes Werk und Teufels Beitrag“ im Gehirn gespeichert.
Sein Film „Hachikō – Eine wunderbare Freundschaft (2009)“ zählt für mich mit zu den wunderbarsten Momenten, welche ich zusammen mit der Leinwand, erlebt habe. Hier ist der Hauptdarsteller der Hund Hachikō, welcher nach dem Tod seines Herrchens, fast 10 Jahre unter intensiver Trauer auf ihn gewartet hat. In „Hachikō“ begibt man sich auf Augenhöhe mit einem Akita-Hund, sieht und fühlt die Welt aus seiner Perspektive. Lasse Hallström schafft es hier mit solch einer magischen Ehrlichkeit das Herz zum schwingen zu bringen, dass man ihm als Zuschauer mit jeder Träne seine Hochachtung aussprechen muss.
1985 hat Lasse Hallström mit „Mitt liv som hund“ den Zuschauer verzaubert und in eingeladen, die Welt aus der Perspektive eines Kindes zu sehen. Dieses Meisterwerk hat ihm 1987 eine Oscar-Norminierung für sein Werk als Drehbuchautor und Regisseur eingebracht. 1986 folgte die Verfilmung des Astrid-Lindgren-Klassikers „Wir Kinder aus Bullerbü“ und „Neues von den Kindern aus Bullerbü“.
In „Mitt liv som hund“ nimmt uns Lasse Hallström mit nach Schweden in das Jahr 1959. Ingemar (Anton Glanzelius) ist 12 Jahre alt und lebt zusammen mit seinem älteren Bruder bei seiner Mutter (Anki Lidén) in Südschweden, während sein Vater irgendwo in Afrika arbeitet. Ingemars Mutter werden die Streitigkeiten der beiden Brüder durch ihre fortschreitende Krankheit zu viel, sie hat nicht mehr die Kraft dafür, und die beiden werden getrennt zu Verwandten geschickt.
Ingemar wird bei seinem Onkel (Gunnar Thomas von Brömssen) und seiner Tante Ulla (Kicki Rundgren) in einer kleinen Stadt in Småland untergebracht. Dort lernt er das Mädchen Saga (Melinda Kinnaman) kennen, von welcher er sehr angetan ist und sich verliebt. Saga zieht sich an wie ein Junge, spielt Fussball wie ein Wirbelwind, und verteilt auch gerne Schläge mit ihren Boxhandschuhen. Nach einer Rückkehr zu seiner Mutter verschlimmert sich die Situation dieser zusehends, woraufhin er wieder nach Småland geschickt wird.
Mit Ingemar schauen wir immer wieder in den Sternenhimmel und die Weiten des Weltalls, lauschen konzentriert seinen Gedanken. Ingemar macht sich große Sorgen um die Hündin Laika, welche das erste Lebewesen war, das vom Menschen, alleingelassen in die Erdumlaufbahn geschossen wurde. Er selbst sagt, sie habe sich dieses Schicksal nicht aussuchen können, sie wurde nicht gefragt. Fühlt man sich gefangen, wie in einer Raumkapsel, muss man an dieser Stelle der Auswahl des Film-Songs „Far, jag kan inte få upp min kokosnöt (Father, I can’t open my coconut, Povel Ramel) seine Hochachtung aussprechen, wirklich sehr genial
Das alles klingt bis hier erst einmal sehr melancholisch. Wir sind hier aber in einem skandinavischen Film, welcher mit seinem facettenreichen und genial verketteten Gedanken und Bildern, durch seine Fantasie, die jungen Zuschauer begeistert hat, und die älteren fasziniert beim durchdenken der Ebenen und Verkettungen nicht mehr loslässt.
Mit diesem einzigartigen skandinavischen Humor, welcher hier Meisterhaft von Lasse Hallström platziert wird, erleben wir Ingemar und seine neuen vielschichtigen Eindrücke und Gedanken in Småland. Er wird in seinen jungen Jahren mit Einsamkeit, Verlust, Schmerz, sein eigenes Selbstvertrauen finden und der ersten Liebe konfrontiert. Ein ganz schönes Programm für einen kleinen Jungen, macht er sich dazu noch Sorgen darüber, dass er an der Krankheit seiner Mutter schuld ist.
Wie die Hündin Laika, verbringen wir mit Ingemar eine kalte einsame Nacht in einem Gartenhaus, welche wie eine Rakete aussieht. Eines der wundervollsten Schlüsselmomente in diesem Film. Unglaublich magisch sind auch die Momente der ersten Liebe mit Saga komponiert. Wenn die beiden in den Boxring steigen, ist man dem skandinavischen Kino so unendlich dankbar im Herzen.
Wer kann als Kind schon von sich behaupten in einer Raumkapsel mitgeflogen zu sein, welche dann auf dem Boden zerbricht, und man sich mitten im Schlamm wiederfindet. Eine Kokosnuss ist schwer zu knacken, man kann an ihr verzweifeln und auch den Mut verlieren. Findet man die richtige Technik der Öffnung des Verborgenen, schmeckt der Erfolg und das Durchhalten in diesem Moment großartig und lieblich süß.
Der schwedische Regisseur Lasse Hallström vermag es mit überwältigendem Feingefühl den Boxkampf des Coming-of-Age-Kosmos in einer Kokosnuss einzufangen, sie einsam wie die Hündin Leika in einer Raumkapsel um die Erde kreisen zu lassen, um sie dann mit viel Liebe und Herz, auf der Erde angekommen, behutsam zu landen und zu öffnen.
So ein Meisterwerk, es kann nur aus Skandinavien entspringen. Vielen Dank an den Regisseur Lasse Hallström und im ganz besonderen an die beiden Jungdarsteller Anton Glanzelius und Melinda Kinnaman, wunderbarer kann eine Reise durch den Kosmos der Kindheit, hin zum erwachsen werden nicht sein
Ich bin sehr überwältigt von Lasse Hallström und seinem magischen mehrdimensionalen Werk „Mitt liv som hund“. Danach muss man auf allen Vieren bellend rumkriechen, und Lasse Hallström für diese atemberaubende Perspektive seine Hochachtung aus tiefstem Herzen aussprechen. Mit mehr Herz kann man eine Kokosnuss nicht öffnen
Regie: Lasse Hallström
Schauspieler: Tomas von Brömssen, Anton Glanzelius, Anki Lidén, Melinda Kinnaman, Kicki Rundgren, Thomas von Brömssen, Magnus Rask, Didrik Gustavsson, Onkel Sandberg
Genre: Drama, Komödie
Produktionsland: Schweden
Produktionsjahr: 1985
Einen Kommentar schreiben