Gepostet von herr.filmtanz am Nov 18, 2016

JUNGES LICHT | Adolf Winkelmann | BlitzKritik

Mit JUNGES LICHT hat Adolf Winkelmann eine durchaus beachtliche und sehenswerte Innenansicht des Ruhrpotts der 60er erschaffen. Konsequent aus der Perspektive des 12-Jährigen Julian Collien (Oscar Brose – großartig besetzt) erzählt, zeigt er sexuelle Verwerfungen in von Kohle geschwängerter Luft, welche Winkelmann gerade so eben abfangen kann zum Ende – damit ist auch genug der Kritik. Winkelmann nimmt den kleinen rußschwarzen Untertagelöhner, diese Komposition des Lebens des einfachen Mannes und seiner Familie ernst. Dafür verdient er ein Lob.

2 Flaschen Bier aus der Bügelflasche sind hier wie ein Lottogewinn, ein Luxus. Dem im Ruhrgebiet aufgewachsenen Regisseur Adolf Winkelmann ist hier in der Tat ein liebevolles Stimmungsbild zu dem Steigerlied gelungen. Im Ruhrgebiet pflegen wir auch heute noch das DU, auch wenn das Julian erst noch lernen muss. Auf die schrecklich moderne Version des Steigerlieds hätte ich gerne verzichtet. Vielleicht schneidet man die in der Ruhrpott-Seele störenden 2-3 Minuten einfach im Geiste heraus. Auf der deutschen Leinwand passieren sehr schlimme Dinge. JUNGES LICH von Adolf Winkelmann darf man da gerne mal umarmen, zumal ich selbst im Pott lebe, diese einfachen Menschen sehr liebe.

Die 60er-Jahre, ein Sommer im Ruhrgebiet. Der Krieg ist vorbei. Das Ruhrgebiet sorgt mit Kohle und Stahl für das Wirtschaftswunder und den Fortschritt der gesamten Republik. Die Gastarbeiter sind schon da und Tante-Emma-Läden noch rentabel, Rauchen gilt nicht als gesundheitsgefährdend und Currywurst als nahrhaft. Während die Männer unter Tage malochen, vertreiben sich die Jungen ihre Zeit mit Zigaretten, Bier und Obszönitäten.

Doch der 12-jährige Julian (Oscar Brose) ist anders. Er kümmert sich liebevoll um seine kleine Schwester, schmiert Brote für seinen Vater und dient sonntags in der Messe. Mit Neugier beobachtet er, was um ihn herum geschieht. Besonders angetan hat es ihm die frühreife Nachbarstochter Marusha (Greta Sophie Schmidt), die jedoch nicht nur den Jungen fasziniert. Als sich die latente erotische Spannung an einem heißen Sommertag plötzlich entlädt, gerät das Leben von Julian und seiner Familie aus der Bahn. Daraufhin packt er seine Sachen, läuft von zu Hause weg und vertraut sich dem Pfarrer an. Aber kann man überhaupt die Sünden eines anderen beichten?

‚Junges Licht‘ ist ein Film über den Zustand der Bundesrepublik in der Nachkriegszeit, noch bevor der Himmel über der Ruhr wieder blau wurde. In seinem neuen Heimatfilm erzählt Regisseur Adolf Winkelmann über das Ruhrgebiet der 60er Jahre aus der Perspektive des heranwachsenden Arbeitersohns Julian. Zugleich legt Winkelmann den Mythos Bergbau frei und wagt einen authentischen Blick in die schmutzige Welt der stolzen Bergleute untertage, die mit ihrer harten Arbeit das Wirtschaftswunder ermöglichten. Mit außergewöhnlicher Bildgewalt fängt ‚Junges Licht‘ die Poesie des gleichnamigen Romans von Ralf Rothmann ein. Über die Verfilmung sagt der im Ruhrgebiet aufgewachsene Schriftsteller: Winkelmann hat ein eigenständiges Kunstwerk geschaffen – ein Meisterwerk mit dem Zeug zum Klassiker.

Regie: Adolf Winkelmann
Drehbuch: Adolf Winkelmann, Nils Beckmann, Till Beckmann
Hauptdarsteller: Peter Lohmeyer, Charly Hübner, Oscar Brose, Lina Beckmann, Magdalena Matz
Genre: Drama
Produktionsland: Deutschland
Produktionsjahr: 2016

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